10 Jahre 9/11: Kommemorative Apps

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Bereits direkt im Anschluss an die Anschläge vom 11. September 2001 entwickelte sich spontan eine Online-Erinnerungskultur, die dann unter dem Motto „Collecting Today for Tomorrow“ rasch institutionalisiert wurde. Ein Beispiel dafür ist The September 11 Digital Archive. Ebenso entstand etwa The Sonic Memorial Project: Die Aufzeichnungen wurden hier nicht nur archiviert, sondern auch als eine Art interaktives Audio-Denkmal arrangiert.

Zum zehnten Jahrestag wird nun nicht nur das 9/11 Memorial am ehemaligen Ground Zero eröffnet – es entstehen auch digitale sowie online verfügbare Angebote kommemorativer Kommunikation, von den einige hier kusorisch vorgestellt werden. Als Versuch einer vorläufigen Systematisierung soll es in einer ersten Folge hauptsächlich um Apps gehen, ein weiterer Beitrag wird sich dann mit der Kompilation nutzergenerierter Inhalte befassen.

Das 9/11 Memorial unterhält eine umfangreiche Online-Präsenz, bietet aber auch zwei iPhone-Apps an:  Schon seit einem Jahr ist Explore 9/11 verfügbar. Ebenso wie die zuletzt diskutierte Historypin-App setzt Explore 9/11 u.a. auf geosensitive Inhalte, wenn Fotografien über den eigenen Standort erschlossen werden. Desweiteren werden die Geschehnisse in Form einer Timeline sowie einer Video-Tour resümiert. Rechtzeitig zur Eröffnung der Einrichtung ist nun der 9/11 Memorial Guide erschienen. Dieser erschließt vor allem das Denkmal, auf dem die Namen der 2983 Opfer verzeichnet sind. So ist die jeweilige Stelle auf den Wänden auffindbar, die die Footprints der Türme umschließen. Wie der folgende Screenshot zeigt, bietet die Website die gleichen Funktionen.

Für einige Namen sind darüber hinaus Audio-Aufnahmen mit Erinnerungen an das jeweilige Opfer verfügbar. Diese Inhalte wurden wiederum mit StoryCorps realisiert. Dabei handelt es sich um ein Oral History-Projekt, das unter dem Motto „Every voice matters“ Zeitzeugenerzählungen aller Art sammelt und online aufbereitet. Auch dafür exisiert übrigens eine iPhone-App. Einen guten Überblick über die Entstehung und Entwicklung von Denkmal und Museum bietet dann die mit viel visuellem Material ausgestattete iPad-App The 911 Memorial: Past, Present and Future, die nicht von der Einrichtung verantwortet wird.

Schließlich soll noch von einer Facebook-App die Rede sein: National Geographic hat eine Anwendung programmiert, die die Antwort auf die Frage „Wo warst Du, als Du von den Anschlagen gehört hast“ visualisiert. Nutzer können via „Remembering 9/11, Where Were You?“ Ihren Auftenhaltsort auf einer Karte eintragen sowie weitere Angaben dazu machen.

Von Crowdsourced Memory zu Mobile Memory

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Nachdem die Bundeszentrale für politische Bildung zum 50. Jahrestags des Baus der Berliner Mauer eine iPhone-App mit geosensitiven Inhalten vorgelegt hat, ist jetzt eine Smartphone-App erschienen, die für interessierte Nutzer eine Kombination von digitalisierten historischen Inhalten und geografischen Daten möglich macht. Ausgangspunkt dafür ist das Projekt „Historypin„, das von der britischen not-for-profit companyWe are what we do“ verantwortet und in Kooperation mit Google realisiert wird. Dabei werden zunächst die eingereichten historischen Fotografien auf einer Karte mit dem Ort der jeweiligen Abbildung verknüpft:

Hier lassen sich die Fotografien ortsbezogen sowie im Hinblick auf das Erstellungsdatum recherchieren. Darüber hinaus kann die Integration des historischen Motivs in eine – sofern vorhanden – aktuelle Ansicht von Google Street View realisiert werden. Diese Darstellung lässt sich im Überblendungs-Modus manipulieren und erzeugt einen Augmented-Reality-Effekt.

Neben Bildern lassen sich auch Audio- sowie Video-Inhalte einbinden und einzelne Einträge zu Sammlungen oder zu einer Tour zusammenstellen. Die Bild-Beiträge können von registrierten Nutzern kommentiert werden. Wie bei anderen Varianten des Crowdsourcing stellt sich auch hier die Frage der Qualitätssicherung. Ohne diese im Detail für individuelle Beiträge beantworten zu können, setzen die Verantwortlichen vor allem auf Kooperationen mit Schulen und lokalen Initativen, aber auch mit Archiven, Museen und Universitäten. Hier liegt meines Erachtens auch das größte Potenzial des Projekts: Es bietet beispielsweise erinnerungskulturellen Einrichtungen eine Plattform zur Produktion von Inhalten, die mit mobilen Endgeräten vor Ort rezipiert werden können.

Denn inzwischen liegt eine Historypin-App (Android/iPhone) vor, mit der sich unter anderem durch die Smartphone-Kamera die Umgebung nach historischen Bildern absuchen lässt. Liegen welche vor, werden diese eingeblendet und es lässt sich sogar ein Schnappschuss dieser Überblendung anfertigen. Die Programmierung einer eigenen App mit vergleichbaren Funktionen dürfte hingegen für die meisten Projekte finanziell wie technisch illusorisch sein. Insofern bietet Historypin gute Möglichkeiten für den Einsatz lokativer Medien in der historisch-politischen Bildung.

#AskObama: Die Twitter-Townhall

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Während Sigmar Gabriel heute in Berlin die Frage diskutiert „Wozu noch Parteien in Zeiten sozialer Medien“, veranstaltet das Weiße Haus die erste Twitter-Townhall mit dem US-Präsidenten. Dieser Event steht einerseits in der Kontinuität des Einsatzes sozialer Medien in Wahlkampf- und Regierungskommunikation, markiert aber andererseits einen weiteren Bedeutungszuwachs, der seitens Obamas Kommunikationsstrategen zumindest symbolisch dem Format „Twitter“ zugemessen wird. Nachdem er im Gegensatz zu vielen anderen Politikern bekannt hatte, die Kurznachrichten unter @BarackObama nicht selbst zu verfassen, twittert er seit dem 17. Juni gelegentlich selbst (Tweets from the President are signed -BO.), und seit dem 4. Juli ist auch das Büro von Vizepräsident Biden (@VP) am Start.

Nachdem am 20. April Facebook der Partner des Weißen Hauses für ein Townhall-Format war, bietet heute um 20 Uhr MEZ Twitter dem Präsidenten ein Podium sowie dem Publikum einen Kanal, um mit dem Hashtag „#AskObama“ versehene Fragen zum Thema Jobs und Ökonomie zu stellen. Die eigentliche Veranstaltung findet dann im Weißen Haus statt und wird per Livestream auf der dafür eingerichteten Plattform askobama.twitter.com übertragen.

Diese Konfiguration von Hinter- und Vorderbühne hat in den einschlägigen US-Blogs bereits eine Diskussion zur Bewertung des Formats respektive seiner Aneignung durch die Nutzer ausgelöst. Vor dem Hintergrund der prominenten Positionierung des Twitter-Mitgründers Jack Dorsey im Veranstaltungsablauf stellte die bis vor kurzem bei techPresident tätige Nancy Scola im Altantic einige wichtige Fragen zu dieser public-private-partnership:

„What does the White House-Twitter partnership mean when Twitter gets hauled up to Capitol Hill to explain its privacy policy, or comes under federal investigation for its business practices? Does questioning from Jack Dorsey start to look like a replacement for questioning from experienced journalists like, say, CNN’s John King? Will we next see AT&T CEO Randall L. Stephenson demanding an equal shot at the mic? Do tools like Facebook and Twitter that were once heralded as means by which we can open up the political process become simply new ways for business executives to get the ear of the president?“

Ein anderer Aspekt, auf den sich die Debatte frühzeitig fokussierte, war die Auswahl der Fragen. Dazu vermeldete Jennifer Preston im NYT-Blog Media Decoder zunächst:

„Twitter will select the questions, using curation tools and a group of Twitter users to help identify the most popular questions raised both before and during the event. Twitter will be relying on its own search and curation features as well as a company called Mass Relevance to help find questions and topics that are most frequently mentioned.“

Diese technische Lösung werde durch ein Team von Kuratoren ergänzt:

„Adam Sharp, Twitter’s manager of government and political partnerships, said that the curators chosen by Twitter to help select the questions would be a politically and geographically diverse group. He said the curators would ask the people in their communities to highlight what they think are the most important questions for the president to address.“

Inzwischen wurde die Vorgehensweise im Twitter-Blog elaboriert:

„Questions addressed during the Town Hall will be selected both in advance and in real-time during the event. To narrow down the list of popular, relevant questions to ask on behalf of Twitter users, we’re doing the following:
• We’ve partnered with Mass Relevance to curate, visualize and integrate conversations for the event.
• Algorithms behind Twitter search will identify the Tweets that are most engaged with via Retweets, Favorites and Replies.
• A team of seasoned Twitter users with experience discussing the economy will help flag questions from their communities through retweets.“

Dazu hat @townhall eine öffentliche Liste mit acht der Kuratoren erstellt (Von Interesse könnte auch die Selbstbeschreibung von @townhall sein, da sie weitere Veranstaltungen dieser Art verheißt: „Official account for Twitter hosted town halls.“).

Vor dem Hintergrund eines intransparenten Auswahlprozesses problematisiert bei techPresident die für solche Formate entscheidende Frage des Feedbacks:

„In theory, if enough people are watching during the live event, and Obama really starts to filibuster (as he usually does), users could spread an #answerthequestion hashtag alongside the #askobama official tag, and that bit of feedback must ~might~ influence the course of the discussion, or the post-„townhall“ coverage.“

Colin Delany hat bei e.politics bereits Aktivitäten der Nutzer zur Intervention beobachtet, und verweist u.a. auf die via Facebook verbreitete Initiative „#AskObama About Alleged Wikileaker PFC Manning at the Twitter Townhall“. Neben der eigenmächtigen Aneignung des Formats durch die Nutzer, kann Sifry sich auch die angebotsseitige Integration von Partizipationsoptionen vorstellen:

„It wouldn’t be that hard for Twitter to fix this if they want. Its search tool already filters for rudimentary expressions of approval or disapproval (try searching for „#askobama :)“ or „#askobama :(.“ Of course, this kind of sentiment analysis is much too blunt an instrument to use. But imagine if Dorsey said tomorrow that after each Obama answer, he wanted Twitter users to tweet a simple Yes or No along with the hashtag „#didObamaanswerthequestion.“ Timestamps could take care of the rest.“

Es deutet sich also an, dass auch bei der Twitter-Townhall das aus der Perspektive politischer Kommunikation interessierende Geschehen nicht nur auf der Vorderbühne spielt, sondern das Netz insgesamt als relevanter Resonanzraum fungiert.

Update: So sieht das dashboard unter obama.twitsprout.com die Lage um 18 Uhr MEZ:

Postjournalistische Praktiken

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Unter diesem Titel frage ich bei einer Fortbildungsveranstaltung zur Analyse von Herausforderungen für die Mediendemokratie aus Sicht von Gewerkschaften, Parteien und politischen Stiftungen am 13. Mai 2011 in Berlin, ob WikiLeaks, Twitter & Co eine globale fünfte Gewalt konstituieren. WikiLeaks und Twitter stehen dabei als Platzhalter für Phänomene, die den etablierten Massenmedien und ihren normativen Ansprüchen hinsichtlich einer demokratischen Kontrollfunktion Konkurrenz machen. Gleichzeitig hat WikiLeaks aber auch als Katalysator für den investigativen (Daten-)Journalismus fungiert. Dessen Ethos manifestiert sich in Plattformen für whistleblower ebenso wie in der kollaborativen Plagiatsdokumentation GuttenplagWiki.

Twitter hingegen fungiert hier als Synonym für soziale Medien und steht damit für die diversen Formen der Demokratisierung von Echtzeitkommunikation in sozialen Netzwerken sowie die virale Verbreitung von Audio-, Foto- und Videodokumenten. Dieser Entwicklung korrespondiert wiederum die Konjunktur des Kuratierens von social media content als Format des Online-Journalismus (vgl. „Storify this!“). Insofern verstehe ich das Verhältnis von vierter und fünfter Gewalt nicht sozialromantisch als Dichtomie von Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit, sondern als Konkurrenz, die bekanntermaßen das Geschäft belebt.