Gerade ist der von mir herausgegebene Sammelband Erinnerungskultur 2.0: Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien erschienen. Der Band versammelt Vertreter aus Architektur, Geschichts-, Kommunikations-, Literatur- und Politikwissenschaft um an verschiedenen Fallbeispielen und Formaten die Veränderungen zu reflektieren, die sich durch Neue Medien für Geschichtsvermittlung und Opfergedenken ergeben. Die Beiträge verbinden die Beschreibung aktueller Anwendungen aus den Bereichen Computerspiel, E-Learning, digitaler Rekonstruktion zerstörter Synagogen, virtuelles Gedenken, Websites zu Nationalsozialismus und Holocaust, Wikipedia und Medieninhalte von Zeitzeugen mit der Analyse aus gedächtnistheoretischer sowie medienwissenschaftlicher Perspektive. Im Fokus steht das Verhältnis digitaler Verbreitungsmedien zu Orten wie Archiv, Denkmal und Gedenkstätte sowie historischen Darstellungen in Fernsehen, Film und Literatur. Für detaillierte Angaben zu den Aufsätzen und den Autoren siehe die Website zur Publikationsreihe des Gießener Zentrums für Medien und Interaktivität (ZMI).
Out Now: Erinnerungskultur 2.0
Vom Teenager zur Popkulturpolitik
Dieses Feld lässt sich in den nächsten Tagen durch den Besuch von zwei Veranstaltungen durchschreiten:
Am 4. März 2009 steht in Berlin zunächst die Podiumsdiskussion „Pop und Politik – Mitspieler oder Gegenspieler?“ auf dem Programm. Anlass ist die in Kürze erscheinende Publikation des Politikwissenschaftlers Jörg-Uwe Nieland zum Thema „Pop und Politik. Politische Popkultur und Kulturpolitik in der Mediengesellschaft“. Mit von der Party (gerahmt wird das Event von einem DJ-Set) sind neben Nieland die Bundesvorsitzende der Grünen und ehemalige Managerin der deutschen Agit-Prop-Heroen „Ton Steine Scherben“, Claudia Roth sowie Peter Hein (Fehlfarben). Wer wissen will, wie dieser von Hajo Schumacher moderierte Mix funktioniert, der kommt um 20 Uhr in den Roten Salon der Volksbühne.
Ab dem 5. März (Marburg) bis zur Leipziger Buchmesse (für alle Termine und Details siehe die Website des Verlags; scroll down zum Autor) ist dann Jon Savage in Deutschland auf Tour und promotet sein zum Standardwerk prädestiniertes Buch „Teenage: Die Erfindung der Jugend (1875-1945)“. Gemeinsam mit seiner Übersetzerin Conny Lösch präsentiert Savage ausgewählte Kapitel, Musikbeispiele und zeitgenössische Fotografien. Für einen ersten Eindruck inklusive Inhaltsverzeichnis, Leseprobe & Pressestimmen sei wiederum auf den Verlag verwiesen.
„Concept of a Culture“
So lautet der Untertitel des aktuellen Albums „The Bridge“ von Grandmaster Flash, einem Pionier des Plattenauflegens. Diese an den DDR-Terminus des „Schallplattenunterhalters“ gemahnende Charakterisierung erfasst die Kulturtechnik des DJing natürlich nur unzureichend. Darauf haben zuletzt in gewohnt informierter Weise die Soziologen Ronald Hitzler und Michaela Pfadenhauer in ihrer dichten Beschreibung des „Arbeitsalltags einer Kultfigur“ hingewiesen. Während sie die Figur des Techno-DJs fokussieren, akzentuiert HipHop-Original Flash in einem Interview die pluralen Quellen des Mix: „Aber wenn ich auflege, dann spiele ich ein Funk-Break, danach vielleicht ein Pop-Break und dann ein Jazz-, Techno-, Disco- oder Rock-Break.“ Dieser Ekklektizismus ist nicht nur im frühen HipHop sondern auch in den Anfängen der House-Music präsent. Prototypisch nachvollziehen lässt sich das an Hand von Sendungen der Chicagoer Radiostation WBMX aus den Achtzigern. Was hier stilmäßig vermeintlich durcheinander ging, schockiert aus der heute verbreiteten Perspektive des Genre-Purismus, lässt aber die Herzen von Freunden des musikalischen anything-goes höher schlagen. Einen Blick auf diese historische Konstellation zu werfen, dazu wird anläßlich des 20-jährigen Jubiläums der Loveparade in diesem Jahr noch Gelegenheit sein. Im Sinne einer (Selbst-)Historisierung sei dafür schon mal auf einen eigenen, inzwischen auch schon zehn Jahre alten Versuch verwiesen, die erwähnten Phänomene in einem sozialwissenschaftlichen Kontext zu reflektieren: „Die Techno-Szene“.
Verfassungsfolklore made in Germany
2009 stehen in Deutschland diverse Jubiläen auf dem erinnerungskulturellen Event-Kalender. Im Fall des für den 23. Mai zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes geplanten „Verfassungsfest“ hat sich bereits ein veritabler Parteienstreit entzündet. An dessen vorläufigem Ende steht das Aus für eine Polit-Party im Stil der Bürgerfeste am Tag der Deutschen Einheit. Warum es dazu kam, was das mit Barack Obama zu tun hat und ob der Re-Import der Loveparade ins Regierungsviertel ein adäquater Ausweg aus der Inszenierungskrise wäre, dazu mehr in meinem Beitrag zum Brauchtum der Berliner Republik für CARTA.